1.3 Verantwortungsbereiche für die Sicherung von Fachkräften
Im Vergleich zu Gesamtösterreich zeigt sich also: Wien wächst und das Wachstum gründet insbesondere auf das Vorhandensein vieler junger Menschen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Damit besitzt die Hauptstadt einen besonderen Chancen- und Ressourcenpool, auf den im Besonderen Unternehmen, aber auch die Forschung, die öffentliche Verwaltung u. v. m. zurückgreifen können.
Gleichzeitig geht vor dem Hintergrund der beschriebenen limitierten Datensituation sowie der multiplen Ursachenlage des Fachkräftemangels jedwede Auseinandersetzung mit Fachkräftesicherung auch mit einem breiten und multiperspektivischen Betrachtungsansatz einher. Fachkräftesicherung ist Teil vieler unterschiedlicher institutioneller und politischer Arbeitsbereiche und Zuständigkeiten. Dementsprechend gehört zu einem ersten Schritt in der Auseinandersetzung mit Fachkräftesicherung die Vergegenwärtigung der grundlegenden Verantwortlichkeiten.
Von tragender Relevanz für die Auseinandersetzung ist jedenfalls die Perspektive der Betriebe, denen in Sachen Fachkräftesicherung eine zentrale Rolle, eine Doppelrolle, zukommt. Betriebe sind zum einen Nachfragende von Arbeits- bzw. Fachkräften mit bestimmten Qualifikationen. Zum anderen sind sie auch selbst Ort der Aus- und Weiterbildung. Sie fungieren als Vermittler von berufspraktischen Kompetenzen, die oftmals nur im konkreten Arbeitskontext erworben werden können. Die zunehmende Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften lässt vor allem zwei Faktoren des betrieblichen Zuständigkeitsbereichs in den Mittelpunkt rücken: die Mitarbeiter*innenbindung (Arbeitsplatzzufriedenheit, flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, Personalentwicklung, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz) und die betriebsinternen Recruitingstrategien (Employer Branding und Diversifizierung), zwei wichtige Schrauben, an denen es zu drehen gilt, um die Attraktivität des Arbeitsplatzes zu gewährleisten und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Zu den primär vom Staat gelenkten Handlungsbereichen gehört indes in erster Linie das österreichische Bildungssystem mit der beruflichen Erstausbildung, inklusive des hierzulande breit aufgestellten Berufsausbildungssystems. Neben der Lehrausbildung umfasst diese auch die schulische Berufsbildung mit den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen. Mit den Fachhochschulstudiengängen werden berufsspezifische Ausbildungen darüber hinaus aber auch auf universitärer Ebene ermöglicht. Das im internationalen Vergleich vorbildhafte duale Berufsausbildungssystem der Lehre ist ein im Zusammenhang mit Fachkräftesicherung bekanntermaßen bedeutendes Instrument. Dabei bieten die gesetzlich gegebenen Möglichkeiten der regelmäßigen Überarbeitung und Entwicklung neuer Lehrberufe Gelegenheit, arbeitsmarktspezifische Bedarfe und Veränderungen direkt in der beruflichen Bildung zu manifestieren. Für Betriebe ist mit der Ausbildungsmöglichkeit der Lehre darüber hinaus die Chance gegeben, die nachgefragten Fachkräfte für den eigenen Bedarf auszubilden.
Das Beispiel der dualen Berufsausbildung verdeutlicht besonders gut, auf welch engem Zusammenspiel staatliche und betriebliche Fachkräftesicherung basiert. Staatliche und betriebliche Fachkräftesicherung gehen Hand in Hand und bedingen einander. Sie sind keine isolierten, voneinander losgelösten Handlungsfelder.
Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Fragen oder Fragen zur Zuwanderung von Arbeitskräften und die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen (Rot-Weiß-Rot-Card, Ausländerbeschäftigungsgesetz etc.) gehören ebenso zu den zentralen Handlungsfeldern des Staates, die in erheblichem Maße den Diskurs zum Fachkräftemangel prägen.
In den staatlichen Zuständigkeitsbereich fällt überdies die Vermittlung von arbeitslos gemeldeten Personen, die wichtigste Aufgabe des AMS. Damit ist das AMS ebenso wie die Sozialpartnerschaft, (Arbeiterkammer [AK] und Wirtschaftskammer [WKÖ]) und die Bildungsdirektionen zentraler Player und Verantwortungsträger im Hinblick auf die Reduktion von Fachkräftelücken. Gerade deshalb gilt es, diese Entscheidungsträger ins Boot zu holen, um Initiativen weiterzuentwickeln, neue zu schaffen und aus dem Wiener Fachkräftepool zu schöpfen.
Die Einrichtung eines Fachkräftezentrums im Wiener Arbeitnehmer*innen Förderungsfonds (waff) bietet eine Dialoggrundlage für den kontinuierlichen und prozesshaften Austausch und die Vernetzung zum Zwecke der steten Weiterentwicklung, Analyse und Adaption des Handlungsbereichs.