Wien 2040: Klima-Musterstadt ohne Erdgas
Thomas Kreitmayer im Interview
Erneuerbare Energie für die Versorgung von über 500.000 Haushalten: Die Stadt Wien nimmt ihre Klimaziele ernst und fährt die Nutzung fossiler Energieträger in Gebäuden mit dem Programm Raus aus Gas bis 2040 massiv zurück. Programmkoordinator Thomas Kreitmayer spricht über diese Herausforderung sowie die Chancen für den Wiener Arbeitsmarkt und die Fachkräfteentwicklung.
Herr Kreitmayer, worum geht es beim Programm Raus aus Gas?
Im Kern geht es um die Wärmeversorgung der Wiener Haushalte und die Abkehr vom fossilen Energieträger Erdgas. Das Programm Raus aus Gas zielt außerdem darauf ab, die Abhängigkeit unserer Stadt bzw. der Wiener Haushalte von Gasimporten zu beenden. Wir haben vor, bis 2040 über eine halbe Million Haushalte mit dekarbonisierter Fernwärme bzw. erneuerbaren Energien zu versorgen. Dies markiert einen wichtigen Paradigmenwechsel, dem sich die Politik bereits vor Jahren verschrieben hat, und der seit 2020 systematisch umgesetzt wird. Ein wichtiges Standbein der Wiener Klimastrategie.
Was ist Ihr fachlicher Hintergrund?
Ich habe Erneuerbare Urbane Energiesysteme studiert und konnte mich beruflich in der Stadt Wien schon mehr als zehn Jahre mit innovativen Gebäudeenergielösungen auseinandersetzen. Dabei hat sich gezeigt, dass auch große Neubauten komplett mit erneuerbaren Energien versorgt werden können. Meine Arbeit in diesem Bereich führte dazu, dass ich 2022 die Koordination des Programms Raus aus Gas übernehmen durfte, welches einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, Wien bis 2040 zur Klimamusterstadt zu entwickeln.
Was für eine Rolle spielt denn Gas derzeit in der Wiener Energieversorgung?
In Wien werden knapp 600.000 Haushalte mit Gas versorgt. Unser Fokus liegt auf dem Vorhaben, diese vielen Haushalte auf Fernwärme bzw. erneuerbare Energien umzustellen, was zu einer deutlichen Reduktion der Gebäudeemissionen in der Stadt führen wird.
Welchen Einfluss hat Raus aus Gas auf den Wiener Arbeitsmarkt?
Es werden viele neue Arbeitsplätze in der Baubranche entstehen. Wie sich zeigt, werden etwa viele Installateur*innen, Elektriker*innen sowie zusätzliche Planungsleistungen benötigt. Die Nachfrage nach Fachkräften in diesen Bereichen wird voraussichtlich stark steigen.
Gibt es Empfehlungen für Jugendliche, um beruflich langfristig gefragt zu bleiben?
Ich möchte die jungen Menschen in und um Wien ermutigen, ganz grundsätzlich ihre Interessen zu verfolgen und sich für Ausbildungen oder Studiengänge zu entscheiden, die sie begeistern – sei es eine Lehre, eine HTL oder auch ein Studium. Der Bereich der Energie- und Gebäudetechnik ist aber sicher besonders erfolgversprechend.
Welche Perspektiven bieten sich in der Branche der erneuerbaren Energien?
In diesem Sektor gibt es viele Beschäftigungsmöglichkeiten – Allein die Klimaschutz-Lehrausbildungsprämie des waff unterstützt Ausbildungen in 70 klimarelevanten Lehrberufen.
Wie stehen die Chancen für ältere Arbeitnehmer*innen, die umschulen wollen?
Weiterbildungen und zusätzliche Qualifikationen in diesem Bereich sind vielversprechend. Die Branche bietet auch für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger gute Perspektiven.
Welche Rolle spielt das überraschend geänderte Erneuerbare-Wärme-Gesetz der Bundesregierung für den Fachkräftebedarf?
Auch wenn sich das Gesetz hinsichtlich der Nutzung fossiler Energien zu Heizzwecken bei Bestandsgebäuden weniger konsequent gestaltet als erwartet wurde: Die Qualifizierung der entsprechenden Fachkräfte ist weiterhin essenziell, um den internationalen Vorgaben zu entsprechen und die Klimaziele des Bundes wie auch der Stadt Wien zu erreichen.
Was sind Ihre persönlichen Wünsche für die Zukunft des Programms?
Mein Ziel ist es, die Bürgerinnen und Bürger von der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit unserer Strategien zu überzeugen. Ich möchte aufzeigen, dass wir mit dem Programm Raus aus Gas wichtige Schritte in Richtung einer nachhaltigen Energieversorgung setzen.
Abschließend, welche Gedanken haben Sie zum Fachkräftezentrum?
Das Fachkräftezentrum ist eine tolle und wichtige Einrichtung, und die damit verbundenen Bemühungen der Stadt Wien sind auf lange Sicht mitentscheidend für den Erfolg unseres Programms.
Lesen Sie mehr zum Thema im Schwerpunktbereich Ökologisierung und im Fachkräftereport für Wien.