Inklusion trifft Kreislaufwirtschaft: Wie alte Computer neue Chancen schaffen

Best Practice

AfB social & green IT ist ein Paradebeispiel dafür, wie Kreislaufwirtschaft, Inklusion und Fachkräftesicherung erfolgreich zusammenwirken können. Das Unternehmen bereitet ausrangierte IT-Hardware auf und schafft dabei nicht nur Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Arbeitsmarktes im Kontext der Kreislaufwirtschaft. Ein Besuch am Wiener Standort gibt Einblicke in ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell, das Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung, Qualifizierung und wirtschaftliche Prinzipien vereint.

In der Produktionshalle am südlichen Stadtrand herrscht geschäftiges Treiben. Zahlreiche Menschen sind damit beschäftigt, gebrauchte Computer, Laptops und Smartphones auseinanderzunehmen, zu reinigen, Teile zu tauschen und alles wieder zu gebrauchsfertigen, oft wie brandneu wirkenden Geräten zusammenzubauen. Was auf den ersten Blick wie eine herkömmliche IT-Werkstatt aussieht, ist tatsächlich ein Ort, an dem Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung Hand in Hand gehen.

Wir befinden uns am Wiener Standort von AfB social & green IT, einem gemeinnützigen Unternehmen, das sich auf die Wiederaufbereitung gebrauchter IT-Hardware spezialisiert hat. „Wir hauchen den IT-Geräten, die nicht mehr benötigt werden, ein zweites Leben ein“, erklärt Gernot Hochfellner, Geschäftsführer von AfB Österreich, das neben der Niederlassung in Wien-Liesing auch noch einen Betrieb in Klagenfurt umfasst. Der 57-Jährige leitet das Österreich-Geschäft seit fünf Jahren.

Normalerweise landen ausrangierte Geräte auf der Halde, irgendwo am afrikanischen Kontinent. Wir nehmen diese nicht mehr benötigte Hardware, unterziehen sie einem kompletten Refurbishment-Prozess und verkaufen die Geräte dann an Endkunden weiter

Gernot Hochfellner
Gernot Hochfellner lächelt in die Kamera und hat die Arme vor der Brust verschränkt.

Dabei verlängert AfB die Lebensdauer eines IT-Geräts von durchschnittlich vier auf bis zu zwölf Jahre.

Das Besondere an AfB: Bei gut der Hälfte der Mitarbeiter*innen handelt es sich um Menschen, die eine Behinderung haben; dieser Begriff wird dabei weit gefasst, doch dazu später mehr. Das deutsche Unternehmen, das an 19 Standorten in Deutschland, Österreich, Frankreich, Schweiz und der Slowakei etwa 700 Mitarbeitende beschäftigt, schafft bewusst Arbeitsplätze für Menschen, die es auf dem regulären Arbeitsmarkt schwer haben.

Datenlöschung als Neuanfang

Goran Avramoski, Niederlassungsleiter in Wien, führt durch die Räumlichkeiten. Er ist seit 2017 bei AfB und hat in dieser Zeit verschiedene Positionen durchlaufen. „Ich bin als Shop-Mitarbeiter reingekommen, dann wurde ich Shopleiter, Niederlassungsleiter-Stellvertreter und schließlich Niederlassungsleiter“, erzählt er stolz. Man merkt, dass er sich im Unternehmen wohlfühlt.

Goran Avramoski hat seine Daumen in die Hosentaschen gesteckt und lächelt.
Goran Avramoski ist Niederlassungsleiter von AfB in Wien.

Der Weg eines gebrauchten Computers, der von Business-Kunden an AfB überlassen wird – teils kostenlos, meist gegen einen Ankaufspreis –, beginnt mit der zertifizierten Datenlöschung. Mahyar Farhang ist Abteilungsleiter für Datenlöschung und erklärt den Prozess: „Wir haben unterschiedliche Löschmethoden. Die aktuellste und neueste Methode umfasst einen siebenmaligen Überschreibungsprozess.“ Doch nicht immer ist das möglich. „Wenn die Löschung nicht erfolgreich ist, werden die Datenträger ausgebaut und geschreddert“, fügt Farhang hinzu. Etwa 20 Prozent der Festplatten und Speicherbausteine müssen diesen Weg gehen.

Nach der Datenlöschung beginnt der eigentliche Refurbishment-Prozess. Mitarbeiterin Candan Yüksel, die seit einem Jahr bei AfB arbeitet, beschreibt einige Abläufe: „Hier vorne werden die Geräte gereinigt“, deutet sie auf einen Tisch, neben dem sich Kisten mit unterschiedlichster IT-Hardware und Smartphones befinden. Dann geht es weiter zu einer Ecke, wo die Geräte „gründlich gereinigt“ werden, „damit der Kunde auch zufrieden ist“. Candans Kollege Dominik Attensam arbeitet seit drei Jahren im Unternehmen. Er ergänzt: „Wir haben da hinten zum Beispiel ein Lager, wo die ganzen kaputten Geräte sind. Unsere Aufgabe ist, dass wir aus zwei oder mehr defekten Geräten ein Funktionierendes machen.“

Nachhaltigkeit in Zahlen

Diese Herangehensweise unterstreicht das Engagement von AfB für Nachhaltigkeit. „Bei der Herstellung eines neuen Notebooks werden 1.500 bis 2.000 Liter Wasser pro Gerät verbraucht“, erklärt Hochfellner. „Wenn wir hier im Jahr 70.000 Geräte zurücknehmen und davon 77 Prozent refurbishen und weiter verwertbar machen, kann man sich vorstellen, wie nachhaltig das allein schon bezüglich der Ressource Wasser ist.“

Doch AfB ist eben mehr als nur ein Recycling-Unternehmen. Hier erhalten Menschen eine Chance, die auf dem Arbeitsmarkt mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind, und deren Potenziale häufig übersehen werden. Bei jenen knapp 50 Prozent seiner Mitarbeiter*innen, die das betrifft, werden drei Arten der Beeinträchtigung unterschieden, so Hochfellner: „Die körperliche Behinderung, die man oft sofort sieht – etwa, weil jemand im Rollstuhl sitzt. Dann aber auch die mentale oder psychische Beeinträchtigung, die eben nicht sichtbar ist – hier geht es u.a. um Menschen mit schweren Depressionen.“ Zu guter Letzt nennt er noch die soziale Beeinträchtigung: „Das betrifft z.B. Flüchtlinge, die oft überhaupt keine Möglichkeit haben, um beruflich Fuß zu fassen.“

Ein Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin von AfB arbeiten an einem PC.

Die Vielfalt im Unternehmen ist aber auch darüber hinaus beeindruckend. „Wir haben an den beiden Österreich-Standorten 17 Nationalitäten bei rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, stellt Hochfellner fest. Diese Diversität zu leben, sei manchmal natürlich herausfordernd – viel öfter aber extrem bereichernd: „Sie prägt die Kultur des Umgangs miteinander.“

Ein zentraler Aspekt dieser Unternehmenskultur ist die Ausbildung: AfB bildet Lehrlinge sowohl im administrativen als auch im technischen Bereich aus, derzeit insgesamt vier. „Gerade erst haben wir einem Kollegen mit Behinderung zur erfolgreichen Lehrabschlussprüfung in Informationstechnik gratuliert“, erzählt Hochfellner stolz. Das Ausbildungsprogramm ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie gleichzeitig soziale Verantwortung wahrgenommen und die Fachkräftesicherung vorangetrieben werden kann.

Partnerschaften für die Zukunft

Das Geschäftsmodell von AfB basiert auf Partnerschaften mit Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen, die ihre gebrauchte IT-Hardware abgeben. Einige dieser Partnerschaften bestehen seit über einem Jahrzehnt, wie etwa mit der Erste Bank Group, der Vienna Insurance Group und Infineon. Alle Partner profitieren nicht nur von der sicheren Entsorgung ihrer alten Hardware, sondern können auch ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit und sozialen Verantwortung in den je eigenen CSR-Berichten mittels von AfB ausgestellten Zertifikaten dokumentieren.

Ein Laptop und mehrere Verpackungen von Smartphones liegen auf einem Tisch.

Trotz des sozialen Aspekts und des Fokus auf die Kreislaufwirtschaft versteht sich AfB als normales Wirtschaftsunternehmen. Hochfellner: „Wir sind ein soziales Unternehmen, aber kein Sozialunternehmen.“ AfB funktioniere nach wirtschaftlichen Prinzipien und steht im Wettbewerb mit anderen IT-Remarketing-Firmen. „Wir richten uns nach den gleichen Marktgegebenheiten wie jeder andere Mitbewerber.“

Am Ende des Tages verlassen wieder Dutzende aufbereitete Geräte die Halle in Wien. Sie werden ein zweites Leben in Büros, Schulklassen oder Privathaushalten führen. Und mit jedem dieser Geräte beweist AfB nicht nur, dass Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und wirtschaftlicher Erfolg kein Widerspruch sein müssen; vielmehr zeigt das Unternehmen, wie innovative Geschäftsmodelle in der Kreislaufwirtschaft einen wesentlichen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen leisten können: von der Inklusion über die Ressourcenschonung bis hin zur Fachkräftesicherung in Zukunftsbranchen.