Beschäftigungspotentiale der kreislaufwirtschaftlichen Transformation
Hintergrundwissen
Zu den ökologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gehört der rasant steigende Verbrauch von Rohstoffen, der sich in den letzten 50 Jahren fast vervierfacht hat. Dafür verantwortlich ist unter anderem die lineare Wirtschaftsweise, also der Gebrauch und Verbrauch von Ressourcen, bei dem Produkte sowie entstehende Nebenprodukte als Abfall oder Emissionen wieder im Ökosystem landen. Und das belastet unsere Umwelt erheblich. So sind die Treibhausgasemissionen zu rund 50 Prozent und der Wasserstress sowie der Biodiversitätsverlust zu über 90 Prozent auf die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen zurückzuführen.
Um den Ressourcenverbrauch zu verringern und den Umweltbelastungen entgegenzuwirken, braucht es eine grundlegende Transformation der linearen zu einer zirkulären Wirtschaftsweise – der Kreislaufwirtschaft.
Die Kreislaufwirtschaft ist ein Modell, bei dem Ressourcen möglichst umweltverträglich gewonnen und hergestellte Güter möglichst lange wiederverwendet werden, etwa durch eine längere Lebensdauer oder die Wiederverwendung von Materialien. Am Ende der Lebensdauer werden die Erzeugnisse wieder in den Produktkreislauf zurückgeführt.
Ein solcher Paradigmenwechsel ist eine ökologische Notwendigkeit, bedingt aber auch Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, die sich über alle Wirtschaftsbereiche und politischen Ebenen hinweg manifestieren.
Ein Paradigmenwechsel auf allen Ebenen
Im März 2020 verabschiedete die EU-Kommission den EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft – Für ein sauberes, wettbewerbsfähiges Europa, ein Baustein des Europäischen Green Deals. Der Aktionsplan nimmt Branchen und Produktkategorien in den Fokus, in denen besonders viele Ressourcen gebraucht werden und die damit ein hohes Kreislaufpotenzial aufweisen: Elektronik- und IKT-Branche, Fahrzeuge und Batterien, Verpackungen, Kunststoffe, Textilien, Bauwirtschaft und Gebäude, Lebensmittel, Wasser und Nährstoffe. Im März 2022 folgte ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Kreislaufwirtschaft, das darauf abzielt, nachhaltige Produkte in der EU zur Norm zu machen, die eine längere Lebensdauer haben, leichter wiederverwendet, repariert und recycelt werden können und einen größtmöglichen Anteil recycelter Materialien enthalten.
Im Rahmen des Aktionsplans wurden aufbauend auf die Ökodesign-Richtlinie neue Ökodesign-Anforderungen formuliert. Kreislaufwirtschaft setzt demnach am Anfang der Produktionskette an, also beim Design von Produkten, und sorgt dafür, dass Produkte langlebiger und reparierbarer werden und Verbraucher*innen nachhaltigere Entscheidungen treffen können. Dazu gehört aber auch, einen Markt für Sekundärressourcen zu schaffen und die Position von Konsument*innen zu stärken. Vor allem sollen Informationen hinsichtlich der Reparierbarkeit und Haltbarkeit von Produkten leichter zugänglich sein, um nachhaltige Entscheidungen treffen zu können. Konsument*innen erhalten folglich ein „Recht auf Reparatur“.
Eine Kreislaufstrategie für Österreich
Auf dem EU-Aktionsplan baut die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie auf. Diese widmet sich dem Ziel, die „österreichische Wirtschaft und Gesellschaft bis 2050 in eine umfassend nachhaltige Kreislaufwirtschaft umzugestalten“. Analog zu Klimaschutz und Klimawandelanpassung soll Kreislaufwirtschaft als zentrales Prinzip in allen relevanten Strategien und Programmen verankert werden. Zu den wesentlichen Zielen dieser Vorhaben gehören die Reduktion der Treibhausemissionen auf netto null, eine massive Verringerung der verwendeten Rohstoffe, Materialien und Energie sowie des Abfallaufkommens, aber auch die Nutzung von Sekundärstoffen aus dem Recycling anstelle von biogenen Rohstoffen. Wert und Nutzen von Produkten und Dienstleistungen sollen solange wie möglich erhalten bleiben. Der Plan ist also, die linearen Wirtschaftsstrukturen, Handlungsmuster und Materialflüsse grundlegend zu transformieren.
Kreislauffähiges Wien
Die Umgestaltung der Wirtschaft wirkt sich besonders auch auf die Lebens- und Wirtschaftsweise des urbanen Raums aus. Die Stadt Wien verfolgt daher längst die Vision einer zirkulären Stadt. Ein Bekenntnis zur Kreislaufwirtschaft wurde bereits im Wiener Regierungsabkommen 2020 verankert und findet sich entsprechend in der Smart Klima City Wien Strategie sowie in der Strategie WIEN 2030 Wirtschaft & Innovation wieder. In Kombination mit den Handlungsfeldern für Klimaschutz und Klimawandelanpassung trägt Kreislaufwirtschaft zum Ziel der Stadt Wien bei, bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen.
Zentrales Programm der Stadt Wien ist der magistratsübergreifende DoTank Circular City Wien 2020-2030 der Stadtbaudirektion, ein Leitprojekt der Wirtschafts- und Innovationsstrategie, das die kreislaufwirtschaftliche Transformation der Bauwirtschaft vorantreibt. Diese kann nur unter Berücksichtigung des Gesamtsystems der Stadt gelingen, weshalb der Wiener Weg zur Kreislaufwirtschaft im Bauwesen von den 4 Säulen Stadtbauplanung, Infrastruktur, Sozioökonomie und Hochbau getragen wird.
Beschäftigungspotentiale für eine kreislauforientierte Wirtschaft
Der beschriebene Wandel bedingt erhebliche Veränderungen der Arbeitsmarktstrukur und wird für Beschäftigungschancen für Fachkräfte sorgen, wobei sich in der aktuellen Entwicklungsphase nicht eindeutig sagen lässt, wie groß diese sein werden. Laut Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) soll der Wandel hin zur Kreislaufwirtschaft zu einem EU-weiten Beschäftigungsplus von rund 700.000 Arbeitsplätzen bis 2030 beitragen. Die größten Beschäftigungszuwächse soll es demnach für Arbeitsplätze im Bereich der Abfallwirtschaft geben. Experten zufolge entstehen hier Potentiale aufgrund von Veränderungen im Recycling, in der Reparatur sowie auf Refurbish- und ReUse-Ebene. Prognostiziert wird etwa ein Anstieg des Fachkräftebedarfs an Reparaturtechniker*innen, Recyclingtechniker*innen und Kompostfachleuten, aber auch an Schneidereien, Elektrofachleuten, E-Commerce-Fachkräften und EDV-Fachleuten für die Digitalisierung der Kreislaufwirtschaft. Auch in vielen weiteren Wirtschaftsbereichen könnten Beschäftigungszuwächse entstehen, wie in der Landwirtschaft oder der Stromversorgung, wobei in vielen Fällen, wie etwa der Rohstoffgewinnung, vielmehr von einer Veränderung von Aufgaben auszugehen ist.
Neue Kompetenzen und notwendige Qualifizierungen
Die Umstellung auf eine kreislaufwirtschaftliche Wirtschaftsweise trifft also eine Reihe von Branchen und Wirtschaftsbereichen, wobei die Kompetenz- und Qualifizierungsanforderungen an die Arbeitskräfte je nach Bereich stark variieren. Damit sind etwa in der Reparatur andere Entwicklungen zu erwarten als im Bausektor.
Aber auch innerhalb einzelner Branchen sind die Kompetenzanforderungen vielfältig. Alleine im Baubereich ist eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Kompetenzen und Spezialwissen gefragt, die von der fachgerechten Demontage von Bauteilen über die Fähigkeit zur Beurteilung der Qualität und Wiederverwendbarkeit von Materialien reicht. In der Planung ist indes Wissen für die Gewährleistung von Langlebigkeit und Nachhaltigkeit von Gebäuden entscheidend. Eine besondere Rolle spielt aber auch die Koordination komplexer Prozesse am Bau, auch in Kombination mit digitaler Kompetenz, etwa für den Einsatz von Building Information Modeling (BIM). Im Rahmen des ReBUSK-Projekts (Reboot BUILD UP Skills Austria) hat man dazu festgestellt, dass ein hoher Weiterbildungsbedarf im Zusammenhang mit kreislauffähigen Materialien und Bauweisen besteht. Demnach gäbe es insbesondere einen Bedarf an qualifizierten Fachkräften für die Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen für die Transformation. Es braucht also eine stärkere Verankerung von klima- und kreislaufwirtschaftlichen Skills in der Aus- und Weiterbildung und vor allem eine Verbesserung der Zusammenarbeit an der Schnittstelle von Planung und Ausführung am Bau.
Die potentiellen Beschäftigungszuwächse werden dabei sowohl niedrige als auch mittlere bis hohe Qualifikationsniveaus betreffen. Die Anforderungen an das Qualifikationsniveau unterscheiden sich je nach Phase im stofflichen Lebenszyklus. Veränderungen in sehr frühen Phasen wie in der Konstruktion erfordern hochqualifizierte Fachexpert*innen, während für die möglichst lange Verwendung und die Wiederverwendung von Produkten vielfach niedrig formale Qualifikationen ausreichend sind (z. B. ReUse, Share-Modelle).
Die Rolle sozialökonomischer Betriebe für die kreislaufwirtschaftliche Transformation
Längst spielen für die kreislaufwirtschaftliche Umgestaltung der Wirtschaft arbeitsmarktpolitische Organisationen und gemeinnützige Beschäftigungsprojekte eine entscheidende Rolle. Dazu gehören insbesondere die sozialökonomischen Betriebe (SÖBs), die sich seit den 1980er und 1990er Jahren mit kreislaufwirtschaftlichen Ansätzen beschäftigen und mit zeitlich befristeten Arbeitsplätzen für Langzeitarbeitslose Arbeitsmöglichkeiten für niedrigqualifizierte und bildungsbenachteiligte Personen schaffen. Diese Bedeutung sozialer Unternehmen für den zirkulären Wandel wird auch im EU-Aktionsplan betont. Kreislaufwirtschaftliche Anliegen werden folglich mit dem Bestreben gekoppelt, Personen mit Vermittlungshindernissen in jenen Bereichen in Beschäftigung zu bringen, in denen privatwirtschaftliche Einrichtungen bislang ohnehin nicht lukrativ wirtschaften konnten. Das war bisher ein Markt, der ohne Förderung oft noch nicht profitabel gewesen wäre. Dabei liegt hier bereits ein enormer Wissens- und Kompetenzpool vor, der nun zusehends auch am ersten Arbeitsmarkt nachgefragt wird.
Ein hohes Arbeitskräftepotential und entsprechender Weiterbildungsbedarf entsteht etwa im Rückbau, der Entsorgung und Wiederverwendung (ReUse) von Bauelementen und Baustoffen. Hier betreibt etwa die Genossenschaft BauKarrussell das sogenannte Urban Mining, also den verwertungsorientierten Rückbau, bei dem die Sekundärstoffe aus Abbruchgebäuden für die Wiederverwendung aufbereitet werden. In der langjährigen Tätigkeit des sozialökonomischen Beschäftigungsprojekts von Job-TransFair, der KÜMMEREI, hat man die Notwendigkeit der Kompetenz- und Wissenssicherung für Tätigkeiten im Rückbau erkannt und hierfür unter anderem modulartige Lehrinhalte für eine Teilqualifizierung im verwertungsorientierten Rückbau konzipiert.
Im Bereich ReUse und Reparatur besteht ebenso eine ganze Reihe an sozialen Unternehmen und sozialökonomischen Betrieben, mitunter Mitglieder des Dachverbands ReUse Austria. Dabei trägt Reparatur doppelt zu Klimaschutz bei, da dadurch die Produktlebensdauer verlängert und gleichzeitig die Entstehung von Abfall verringert wird. Die wachsende Reparaturbranche lässt aber auch neue Arbeitsplätze auf unterschiedlichen Qualifikationsniveaus entstehen. Hier gilt es jedenfalls auf die bestehende Expertise wie jene des Wiener Reparaturnetzwerks oder der Umweltberatung zurückzugreifen.
Auch die Textil- und Bekleidungsindustrie erhält hinsichtlich der Beschäftigungspotentiale Aufmerksamkeit. Textilien gehören zu den Produktgruppen mit dem größten ökologischen Fußabdruck, sodass entsprechende EU-Richtlinien bereits die Verpflichtung zur getrennten und flächendeckenden Textilsammlung vorgeben. Gleichzeitig wächst auch der ReUse- und Secondhand-Markt im Bekleidungssektor. Für den erwartenden Bedarf an Sortierung von Kleidung, die für die Wiederverwendung gedacht ist, wird es einen Aus- und Neubau von Sortieranlagen brauchen. Caritas, Volkshilfe und die MA 48 sortieren aktuell von 6.500 Tonnen ca. 1.500 Tonnen an Textilien pro Jahr. Der Rest verlässt Österreich und wird in anderen Ländern sortiert, wo Arbeitsplätze für die jeweilige Region geschaffen werden.
Fazit
Um die österreichischen Klimaziele zu erreichen, muss kreislauforientiertes Wirtschaften zur Norm werden. Dazu braucht es ein generelles Umdenken – auch in Sachen Arbeitsmarktstruktur und Arbeitskräfteangebot. Damit der Umstieg erfolgreich ist, ist ein proaktives Vorgehen notwendig, bei dem die Expertise und das Wissen aller Beteiligten berücksichtigt wird und Anreize für den Umstieg geschaffen werden, bei dem aber auch die Notwendigkeit der zielgerichteten Ausbildung von Fachkräften für die ökosoziale Transformation erkannt werden.
In einem aktuellen Projekt widmet sich das Fachkräftezentrum gemeinsam mit dem Climate Lab und dem Dachverband der Wiener Sozialökonomischen Betriebe, arbeit plus Wien Beschäftigungs- und Qualifizierungspotentialen der Transformation zur kreislauffähigen Wirtschaft.